Multi-Kulti-Erfahrungen

Nun habe ich es mit einigen Monaten Verspätung doch zu dir geschafft. Zog ich im letzten Jahr noch Kafka und Kaviar dir vor, war ich jetzt bereit, dich zu ergründen. Die ersten Schritte, die ich mit dir vollbrachte, waren schnellen Fußes. Stark hast du mich an die Heimat erinnert. Zu stark. Wie soll ich dich denn so nur kennenlernen? Regen, Regen und noch mehr Regen. Das Resumeé meiner ersten Eindrücke schien schon fest zu stehen, bevor ich aus dem Wagen steigen durfte.

Die Suche nach einem Bissen zwischendurch konnte genutzt werden, um erste oder auch weitere Impressionen von dir zu sammeln. Vieles ist gleich. Aber vieler auch anders. "Es sieht aus wie bei uns..." Ja warum denn auch nicht, immerhin sind es nur 500km. Trotzdem sind es dann doch eben diese Kleinigkeiten, die dich zu einer völlig anderen Stadt an der Waterkant machen. Diese Büros im Erdgeschoss, welche mit Schaufenster aufwarten, um so Kunden herein zu locken und Unsauberkeit fern zu halten. Zeitarbeit! Bei uns verpöhnt, hier anscheinend gepriesen. Bars und Cafés haben wir, doch letzten Endes sind diese dann doch irgendwie anders. Und die vielen Fahrradläden, wenn sie irgendwo angebracht sind, dann genau hier bei dir.

Es ist doch irgendwie biezar. Zwei touristische Gastronomietempel sind überfüllt, heute Abend für uns unerrreichbar, wodurch wir uns nur rein zufällig am Ende im Bazar wiederfinden. Orientalische Musik erreicht unsere Ohren. Fremde Gerüche steigen in die Nasen. Wir werden gebeten uns noch einen Moment im Zentrum zu gedulden. Meine Augen nehmen weitere Details wahr. Kisten mir frischen Obst stehen bereit. Werbung, welche einst Litfasssäulen zierte, bekleiden die Umgebung. Und alles in allem gibt man sich auch hier international. Dies geschieht ohne aufgesetzt zu wirken. Es scheint vollkommen normal, dass das Bier aus Holland, Japan und der Türkei kommt. Zwei Stunden später erfolgt die erste berechtigte Erkentniss. Die kulinarische Reise innerhalb einer europäischen Stadt hat sich mehr als gelohnt. Ich habe Dinge geschmeckt, die ich zwar kannte, die mir jedoch in dieser Zusammenstellung vollkommen neu waren. Ein Genuss, welcher auch die Frage aufgeworfen hat, warum ich erst zu dir kommen musste, um diese Erfahrungen machen zu können? Habe ich doch nicht auch woanders die Chance dazu? Ja! Ich habe sie! Und ich sollte sie nutzen. Zuhause in diesem Jahr und im danach...

Es folgt ein Spaziergang durch die alten Straßen und Gassen bei Nacht, Unweigerlich muss ich an die Goldenen Stadt denken und sie mit dir vergleichen. Und es tut mir leid, dir das sagen zu müssen aber sie ist bei weitem viel schöner als du. Ein Irrlaufen durch enge Gassen kann hier nicht der gleiche sein. Denn du hast dich dem Kommerz und Kunsum ergeben. Die Häuser wollen mich nicht in sich aufnehmen, wie vor vier Monaten noch. Sie wollen mich lediglich an ihre gläsernen Wände locken, damit ich einen Blick hinein, jedoch nicht hinauf werfen kann.

Ein weitere Gedanke kommt mir schnell, als ich die Häuser deiner Straßen im abendlichen Grau genauer betrachte. Denn ich habe sie schon einmal gesehen. Gezwungener Maßen in den gleichen Farbnuancen. Sie zeigen die Zeit, die wir bei uns heute noch verdrängen und vergessen wollen. Und so stelle ich fest, dass ich diese Fassaden sehr gut kenne. Sie sehen immer wohl immer noch so aus, wie sie dir einst unsere Großväter nahmen. Und wie sie in dem Tagebich wiederzufinden sind, welches ich noch nicht gelesen habe.

Angekommen im Zentrum der Heiterkeit, scheine ich mit einem Mal wieder zu Hause zu sein. Wildes Treiben um mich herum. Erneut eine Vielzahl von Sprachen. Deutsch. Englisch. Dutch. Alles klngt so gleich. So vertraut. Und auch die Neonröhren schaffen es, auf den ersten Blick ein wenig Gefühlt von Heimat aufkommen zu lassen. Doch auch hier ist es letzetn Endes wieder anders. Der Unterschied liegt in der Luft. Es fehlt der Geruch des hoffnungsvollen Hafens, der Atem des feierwütigen, internationalen, jungen Volkes als auch der Gestank der sozial Vergessenen. Vielmehr ist es ein verbotenes Grün, was dich auch ein Stück begehrt gemacht hat, welches in meine Nase steigt.

Der Rest des Abends ist leider schnell erzählt. Die Möglichkeit den Abend leichten Fußes ausklinken zu lassen war da. Schien Anfangs auch eher exklusiv. Musik war von der Straße aus zu vernehmen, hinter der Fassade. Und auch die kleine Klingel am Eingang machte ein wenig Hoffnung, auf eine gewissen Exklusivität, die du uns hier heute Abend zu Teil kommen lassen würdest. Leider blieben letzten Endes nur die Erkenntnis, dass nicht einmal mehr Mainstream und Kommerz ausreichen können, um meine Moleküle zum Tanzen zu bringen. Denn Regenbogengold haben wir am Ende des Abends bei dir leider nicht gefunden.


PATRZIERHÄUSER, allgegenwärtig sind sie. Am Abend zu vor sah ich nur einen kleinen Teil dieser typischen Architektur. Sie prägen dein Bild, vor allem dein altes Bild. Sie sind es auch, die mich in erster Linie zu dir gebracht haben. Zusammen mit dem Wasser, dem vielen Wasser,den Brücken und den Grachten. Auch hier ein kleines Gefühl von zu Hause. Im Schländern durch den ältesten Teil liegt eine gewissen beruhigende Romantik. Große Häuser, kleine Häuser, schwimmende Häuser und scheinbar zusammenfallende Häuser, alle so nah beieinander. In dem sich mir darliegenden Ausblick scheint es keine Einheit zu geben. Unweigerlich erinnerst du mich daran, dass ich ein Deutscher bin, dass ich deutsch denke und die Harmonie des Individuellen nur schwer verinnerlichen kann. Schiefe und kippende Fassaden sind nun einmal nicht das, was man bei uns duldet. Und so ist begleitet uns oftmals ein ungläubiges Kopfschütteln, auf unserem Gang entlang der deiner Wege.

Der Abend ist wieder hell erleuchtet. Den Weg den wir nach dem exklusivem Dinner gehen ist nur kurz. Und mit uns strömt eine Vielzahl von Nachtschwärmern in die selbe Richtung. DIe kleinen Gassen beweisen wie schon am Tage ihren ganzen eigenen Charme. Diesmal ist es jedoch ein anderer. In meinen Augen leuchtet es rot. In meiner Nase erneut grün. Trotz der Gerüche wieder der Gedanke an die Heimat. So harmonisch muss es bei uns vor dreißig Jahren auch ausgesehen haben. Doch ein zweiter Blick verdeutlicht, dass auch hier schon lange der kommerzielle Tourismus Einzug gehalten hat. Ein Blick in deine Gesichter zeigt mir auch, dass für viele Nachtschwärmer der Abend weitaus früher endet als es vielleicht geplant gewesern ist. Ihre Augen zeigen, dass sie gefunden haben, wonach sie heute Nacht gesucht haben.


Den letzten Morgen nutze ich, um dich zu überraschen. Es ist zu früh, dass man von Leben sprechen könnte. Nur ein Jogger, der gegen einen Baum zu boxen scheint, erlebnishungrige, die ihre letzte Kraft dem Gang zu Bett widmen oder ein Vater der das Frühstück natürlich mit dem Fahrrad besorgt. Ansonsten erleuchtet die gefühlte Frühlingssonne die leeren, müllbeladenen Straßen. Die Häuser hier zeigen zwar nicht das Bild, welches mir zwischen den Grachten geboten wurde. Trotzdem sagen mir die alten Zäune um den anliegenden Park, dass sie sehr viel älter sind als ich selbst. Zusammen mit der vorherrschenden morgentlichen Stille und den Wohnhäusern der Gegend zeigst du mir erneut, wie vielseitig deine Kultur ist. Wie offen du für jedermann und alles drum herum zu sein scheinst.

Bei allen Wegen die ich in den letzten beiden Tagen gegangen bin, überkam mich stets die Erinnerung an meine Tage an der Moldau und der Moskwa. Zusammen mit der Erkenntnis, dass auch du anders und somit einmalig bist. Deine Toleranz und kulturelle Vielseitigkeit konnte man immer und überall spüren, so wenn man dies denn wollte. Schön zu sehen, dass Multi-Kulti nicht immer als ein Keil, sondern vielmehr als ein Band gesehen weden kann. Auch wenn ich nur wenige Stunden auf deinen Straßen und Brücken wandelte, konnte ich doch sehen, was ein internationales Miteinander ist und welche Vorzüge dies gegenüber einem stur preußischen Gedanken haben kann.

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