Freitag, 17. September 2010

Kurzgeschichten von der Moskwa

***EIN WORT: GIGANTISCH***

Wenn man als Tourist nach Moskau geht, kommt man nicht drum herum, sich den Roten Platz als auch den Kreml an zu schauen. Und auch wenn ich nicht das „typische“ Touriprogramm erleben wollte, waren diese beiden Punkte durchaus in meiner to-do-Liste zu finden. Leider war hier das Glück nicht auf meiner Seite. Bis zum Tag meiner Anreise gab es auf dem Roten Platz ein Theaterstück oder Konzert zu sehen. Dementsprechend war der Hauptbestand der Fläche mit einfachen Bauzäunen abgesperrt und eine zwei große Bühnen fanden ihren Platz in der Mitte des Areals, was mich als ausgewiesenen Hobbyfotografen durchaus missmutig stimmte.
Ein weiterer kleiner Schicksalsschlag meiner Reise war die daraus resultierende Tatsache, dass man vom Roten Platz aus nicht in den Kreml kam und die wenigen anderen Eingänge vollkommen überfüllt und auch geschlossen waren. So blieb es mir ebenfalls verwehrt einen Blick in die architektonischen Schätze in dessen Inneren zu werfen. Was ich demnach verpasst habe, lässt sich mit Hilfe des Reiseführers erahnen. Weitere Gebäude und Ansichten, die ich mit dem von mir in Moskau am häufigsten verwendeten Wort beschrieben hätte: „gigantisch“.

Gigantisch – das ist in der Regel meine erste Antwort, wenn man mich nach Moskau fragt. Bereits der Anflug über die Stadt machte mir das deutlich. Denn als der Flieger über die Metropole zur Landung ansetzte, war es mir nicht möglich ein Ende dieser Stadt ausfindig zu machen. Die Stadt hörte einfach nicht auf.
Ein weiterer Punkt der meine Ein-Wort-Beschreibung bestätigt sind die Moskauer Hochhäuser. Nicht nur die erst seit wenigen Jahren existenten Wolkenkratzer, welche in der Nacht in allen möglichen Farben und Lichtern erstrahlen, im Bürogebiet sind hier gemeint. Ebenso, wenn nicht sogar noch mehr, beeindruckt war ich von den sogenannten Stalin-Bauten. Von diesen Monumenten existieren sieben Stück an der Zahl in der Stadt. Jedes steht auf einem der sieben Hügel innerhalb der Stadt und ist eigentlich mehr als schwer zu beschreiben. Ich denke, die Tatsache, dass eine ganze Universität in einem Gebäude Platz findet, kann vielleicht im Ansatz versuchen einer angemessenen Darstellung gerecht zu werden.

Letzten Endes kann festgehalten werden, dass egal wo man sich in der Stadt aufhält, man immer mit einem Superlativ konfrontiert wird. Seien es die Gebäude oder ebenfalls bereits beschriebenen Metro-Stationen, die bis zu sieben Stockwerke umfassenden Einkaufcenter, die fünf-spurigen Hauptverkehrsstraßen oder auch die unzähligen Kirchen und Kathedralen überall in der Stadt. Ein Wort zur Beschreibung aller Dinge ist immer zutreffend: gigantisch.


***RUSH-HOUR***

„Für schnelles Vorankommen in Moskau ist die Metro am besten geeignet“ So oder so ähnlich stand es in meinem Reiseführer. Doch war dort auch nachzulesen, dass man dies nicht in der Rushhour tun sollte. Nun ließ es sich nicht vermeiden, nach dem Flug und der Fahrt mit der Shuttle-Bahn, in die nächste kommende Metro, welche manchmal weniger als eine Minute nach der vorherigen am Gleis ankam, zu steigen – auch wenn dies eben genau zu der zu vermeidenden Rushhour gewesen ist.
Und genau hier wurde ich auf eines neues daran erinnert, welche gigantischen Ausmaße diese Stadt doch hat. Dass sich zum Feierabend in einer Großstadt viele Menschen an den Bahngleisen der Stadt drängen ist mir bekannt, doch das sich bereits vor den Treppen hinunter zu den Bahnsteigen stauen würde, war nicht unbedingt meine Erwartung. Dies geschah zwar in erster Linie nur, weil es sich größtenteils vor den elektronischen Einlasskontrollen staute, trotzdem waren die Hallen der Station voll mit Menschen. Wobei man hier nicht von dem Stadtartbild einer deutschen U-Bahn Haltestelle ausgehen kann.

Vielmehr handelt es sich bei einigen Stationen um regelrechte Kathedralen, zumindest was das Ausmaß des Raumes angeht.Hier sei wirklich die Groß- und Einzigartigkeit der vielen Moskauer Metrostationen angepriesen. Viele Stationen gleichen monumentalen Bauwerken, mit riesigen Gemälden an den Wänden und Statuen in den Gängen. Jede Haltestelle ist ein Kunstwerk für sich, da keine der anderen gleicht. Und wohl nicht nur aus diesem Grund gibt es überall ganze Postkartensätze mit aufwendig fotografierten Bildern der Haltestellen zu kaufen. Oft sind Zeichen und Symbole aber auch Baustil und Atmosphäre aus den sozialistischen Zeiten und prägen somit den Anspruch dieser kolossalen Bauwerke.


***SOUVENIERS, RAMSCH UND STURMGEWEHRE***

Einer meiner Wünsche, außerhalb der traditionellen Sehenswürdigkeiten, war der Besuch eines russischen Flohmarktes – hoffte ich doch hier verborgene Schätze zu finden. Dies tat ich auch, in zweierlei Hinsicht sogar, nämlich in guter wie auch in schlechter Hinsicht.
Der „gute“ Schatz, den ich gefunden habe war eine HSV-Matruschka, mit fünf Spielern der letzten Saison (von denen zumindest vier derzeit noch beim Verein spielen). Und unter Anbetracht der Tatsache, dass dieses Juwel die einzige Holzpuppe eines europäischen Fußballvereins gewesen ist macht sie, zumindest für mich, nur geringfügig wertvoller, als sie ohnehin schon ist.
Eine andere Sache, welche ich auf dem Flohmarkt sah, hat mich ebenso sprachlos gemacht – leider eher im negativen Sinne. Dass die Russen anders mit ihrer militärischen Geschichte umgehen als wir, wurde mir bereits durch die ersten Eindrücke meiner Sightseeing-Tour bewusst. Und immerhin werden ja auch bei uns alte Orden bzw. Abzeichen auf Trödelmärkten verkauft. Doch blieb mir sprichwörtlich die Spucke weg, als ich zerschossene Stahlhelme, SS-Sturmführerabzeichen, Kriegsmesser mit Hakenkreuzemblem und sogar ganze Sturmgewehre (keine Ahnung, ob diese noch funktionstüchtig waren) gesehen habe. Wenn man bedenkt, dass ich an der deutschen Grenzen nicht in die Zollkontrolle musste, hätte ich doch zumindest meine Klamotten mit „schönen“ Hakenkreuzabzeichen und –Aufnähern bestücken können.
Wie bereits erwähnt, Russland ist nicht Deutschland. Trotzdem erschreckt es mich, vor allem als angehenden Politiklehrer, zu sehen, wie mit den, bei uns verbotenen, Symbolen des Völkermordes umgegangen wird, denn keiner weiß, ob an den Messern, auf denen sich der SS-Totenkopf befindet, nicht bereits das Blut vieler Menschen klebte.


***UNSICHERHEIT DURCH ZU VIEL SICHERHEIT***

So gut jedem, dem ich von meinem bevorstehenden Trip an die Moskwa erzählt habe riet mir auf jeden Fall vorsichtig zu sein und auf mich auf zu passen. Und durchaus beschlich mich ein gewisses Grübeln in der Magengegend, als ich den Uniformierten Mann vor dem Wohnhaus, in dem ich die nächsten fünf Tage unterkommen sollte, gesehen habe. Überall waren uniformierte Männer und Frauen zu sehen. In den ersten Tagen viel es mir dementsprechend schwer, überhaupt die offiziellen Polizisten von gewöhnlichen Wachleuten zu unterscheiden. Die sowjetische, militärische Geschichte des Landes kann an dieser in keiner Weise geleugnet werden. Selbst die Fahrer der Metro tragen kein Hemd, sondern eine Uniform.
Auch die unzähligen Sicherheitskräfte in Einkaufszentren, vor den Hotels, an jeglichen Plätzen oder eben auch in normalen Wohnhäusern haben bei mir lediglich den Eindruck geweckt, dass diese Präsenz in irgendeiner Weise auch notwendig zu sein scheint. Zwar wurde mir ständig versichert, dass Moskau nicht so gefährlich ist und ich habe es letzten Endes auch geglaubt und fühlte mich nie, als würde ich in Juarez befinden, trotzdem stellte sich mir die Frage, warum dann all diese Sicherheitspräsenz?


*** POPCORN STATT BIER ***

Wenn schon im tiefsten Osten, da wo man nicht überall gigantischen Aufschwung vermutet, dann auch zum Fußball ins Stadion. Und wenn schon ins Stadion in Moskau, dann auch ein Derby zwischen zwei der vier bis fünf Vereine der Stadt. Einfach mal gucken, wie ist die Stimmung, sind die Fans ähnlich wie in Deutschland oder würde einen ein völlig anderes Bild geboten werden. Diese Fragen wollte ich mir mit den eigenen Augen beantworten. Das Ergebnis war zwar ernüchternd aber trotzdem interessant. Bis auf die Tatsache, dass man kein Bier, dafür aber Popcorn zu kaufen bekommt, ist nicht viel anders, bis auf die Sache mit den Rauchbomben vielleicht. Diese konnten bei der doch recht schwachen Sicherheitskontrolle mit ins Stadion gebracht werden. Ansonsten war das Beste an dem Spiel, welches Lokomotive im Übrigen gegen ZSKA 1-0 gewann, die Tatsache, dass ich neutral und somit nicht herzinfarktgefährdet gewesen bin.


***ZEICHEN DER ZEIT***

Die Sowjetunion war eine Weltmacht. Russland versucht dort wieder hin zu kommen. Und vielleicht genau aus diesem Grund, sind die Erinnerungen an diese glorreiche, vergangene Zeit überall präsent. Seien es die riesen Gemälde in den Metro Stationen, welche meistens Lenin oder andere Helden der frühen Revolutionen zeigen oder die großen Denkmalanlagen zum Gedenken an alle sowjetischen Wissenschaftler und deren Verdienst in der Weltraumforschung. Ein weiteres Beispiel ist ein riesiger, freier Ausstellungskomplex, welcher seine Ursprünge in der „Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft“ aus dem Jahre 1959 hat und in dem sich jede ehemalige sowjetische Provinz mit einem eigenen Pavillon, ganz in der landestypischen Architektur, verewigen durfte.

Doch sind auch andere Überbleibsel aus der sozialistischen Zeit in Moskau zu finden. Und auch wenn man diese nicht so bildhaft wahrnehmen kann, können sie das Leben eines Reisenden durchaus beeinflussen. Bestes Beispiel hier sind sicherlich die Unannehmlichkeiten bei der Einreise. Ohne ein gültiges Visum, wird man bereits an der Grenze abgewiesen. Und ein Visum ganz unkompliziert bei der Botschaft oder dem Konsulat zu bekommen ist nicht möglich. Es bedarf stets einer offiziellen Einladung, was sich wiederum auf Touristen und Spontanreisende, die nicht in einem Hotel unterkommen, erschwerend auswirkt. Der beste Weg ist hier, sich an eine extra auf Einladung und Visabeschaffung spezialisierte Agentur zu wenden.
Doch auch wenn man diesen Hürdengang hinter sich gelassen hat, so bedarf es doch der Zahlung einer Aufenthaltsgebühr, verbunden mit einer Registrierung, sollte man sich länger als drei Tage im Land aufhalten. Diese Registrierung wiederum ist eine Behördentour, welche sogar im bürokratischen Deutschland ihres gleichen sucht. Es sind alle Dokumente (Visum, Pass, Einreisekarte) zu Kopieren, die ein Reisender bei sich hat. Weiterhin bedarf es der Einzahlung der Aufenthaltsgebühr bei der staatlichen Bank. Zusammen mit der Einzahlungsbestätigung und den Kopien muss dann die Post oder ein Polizeirevier aufgesucht werden, damit der Gastgeber ebenfalls das eine oder andere Formular in doppelter Ausfertigung, zur Feststellung des Aufenthaltsortes, ausfüllen darf. Unter Anbetracht der Tatsache, dass die Wartezeiten bei Post, Bank und Polizei durchaus lang sein können, ist diese gemachte Erfahrung eine, auf die ich durchaus gern verzichtet hätte.

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